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Zeuge im Prozess zu Chemnitzer Übergriffen 2018: So dünn ist der Firnis der Zivilisation

Mehrere Zeugen aus einer hessischen SPD-Reisegruppe beschreiben Angriff durch rechte Demonstranten an der Zschopauer Straße. Es gab Fausthiebe gegen Köpfe, Rücken und in den Bauch.

Plötzlich sei die Gruppe dunkel gekleideter Männer zwischen Häusern hervorgedrängt und über sie hergefallen. „Deutschlandverräter“ hätten sie gerufen. Den jungen Leuten aus seiner Reisegruppe hätten sie an ihren Fahnen gezerrt. Mit Fäusten hätten die Angreifer geschlagen, auf Köpfe, auf Rücken, in den Bauch. „Ich war geschockt.“ So berichtete der 74-jährige Roland D. am Freitag als Zeuge am Landgericht von Erlebnissen am 1. September 2018. Als Flüchtlingshelfer war der pensionierte Lehrer vom Marburger Bundestagsabgeordneten Sören Bartol (SPD) eingeladen worden, im Bus von Hessen mit zur „Herz statt Hetze“-Demo nach Chemnitz zu fahren – dem Kontrapunkt zum Aufmarsch von AfD und anderen rechten Gruppen. Nach der Demo sei seine Gruppe zurück zum Bus gelaufen. Der Angriff an der Zschopauer Straße dauerte nur eine Minute. „Ich habe Glück gehabt.“ Er sei nicht angegriffen worden. Dennoch – das Erlebnis sei „tiefgreifend“ gewesen. „Die hatten ein Ziel: uns zu verprügeln, uns zu verjagen“, so der Zeuge.

Ein Hieb auf den Hinterkopf, dass die Brille wegflog

Der 33-jährige Philipp H. aus der angegriffenen Gruppe gehörte zu Opfern, die Hiebe abbekamen. „Auf den Hinterkopf. Meine Brille ist weggeflogen. Die mussten wir im Gebüsch suchen“, berichtete er. Doch habe er den Eindruck gehabt, „dass wir Glück hatten, wir waren nicht deren Feindbild. Unsere Gruppe war gemischten Alters.“ Ob der Angriff neben seiner Schädelprellung sonst Auswirkungen habe, wollte eine Nebenklageanwältin wissen. „Das war so ein Moment, wo ich gemerkt habe, dass das Zivilisatorische ein doch sehr dünner Firnis ist“, so der Zeuge.

Auch rechte Demonstranten üben Solidarität – mit einer Holocaustleugnerin

Einen Angreifer konnte der Zeuge trotz der fünf Jahre Abstand beschreiben: Anglerhut und weißes T-Shirt. Auf dem Shirt habe „Solidarität“ gestanden, was ihn erst habe vermuten lassen, man könne sich mit der nahenden Gruppe identifizieren. Doch habe das Shirt Fraktur-Schrift gehabt. Wie genau die Beschreibung des Angreifers ausfiel, konnten Prozessbeteiligte dann anhand im Gericht vorgeführter Polizeivideos überprüfen. In mehreren Clips tauchte der Anglerhut-Mann auf. Die auf seinem Shirt geforderte „Solidarität“ galt der Frau auf dem Foto unter der Schrift: die wegen Holocaust-Leugnung mehrfach inhaftierte Ursula Haverbeck, mit 96 Jahren just erneut vorm Haftantritt.


Jens Eumann –

Später Prozess zu rechten Demos in Chemnitz 2018: Zeugen berichten von gewalttätigen Übergriffen

Ein Student erzählt von Erfahrungen, die er während der rechtsextremen Demonstrationen in Chemnitz gemacht hat. Er berichtet von Faustschlägen, Tritten und anschließender Hilflosigkeit.

Erleichtert sei er gewesen, dass die Polizei die „Nazi-Demo“ nicht habe passieren lassen. An der Kreuzung der Brücken- mit der Bahnhofstraße war Schluss am 1. September 2018. Der unter anderem vom Thüringer AfD-Kopf Björn Höcke geführte Tross rechter Demonstranten musste umdrehen, durfte nicht an dem zwei Fußballfelder großen Gelände der Herz-statt-Hetze-Demo auf dem Johannisparkplatz entlanglaufen. Über Twitter habe er erfahren, dass „die Nazis das nicht lustig fanden“. So berichtete der 28-jährige Student Hans H. Als Zeuge sagte er Dienstag im Prozess aus, in dem sich aktuell drei von 27 des Landfriedensbruchs beschuldigten rechten Demonstranten verantworten müssen.

Fausthiebe ins Gesicht und Tritte für Herz-statt-Hetze-Demonstranten

Er selbst sei nach der eigenen Demo mit einer Gruppe von der Bahnhofstraße umgeleitet worden auf die hinterm Behördenzentrum Moritzhof gelegene Moritzstraße. An der Kreuzung mit der Annaberger Straße habe er einen Menschenauflauf gesehen. Als seine Gruppe die Kreuzung erreichte, habe ein dunkel gekleideter Mann begonnen, an seinem Begleiter herumzuzerren. „Vier bis fünf haben angefangen, auf mich einzuprügeln“, entsann sich Hans H. „Ich bin wieder vorgelaufen Richtung Tietz.“ Dort befand sich Polizei. „Ich habe die Tür eines Polizeifahrzeugs aufgerissen und da reingeschrien, dass Neonazis meine Begleiter angreifen.“ Mit Fäusten ins Gesicht geschlagen worden sei er, auch getreten, erinnert sich der Zeuge. Wie sich die Erfahrung auf ihn ausgewirkt habe, wollte der Richter wissen. „Ein bis zwei Jahre bin ich nicht mehr auf Demos gegangen“, sagte der Zeuge. Bis heute gehe er mit Bedacht durch die Stadt. Was ihn „mitgenommen“ habe, sei, dass es so lange keine Aufarbeitung gab. „Dass so ein Mob auf so ne Prügeltour gehen kann.“

Bei den Demonstrationen am Folgewochenende des Stadtfestes, bei dem zuvor der Chemnitzer Daniel H. von Asylbewerbern erstochen worden war, wurden zahlreiche Personen verletzt. Ein Opfer erlitt Schnittwunden im Gesicht. Im Moment der von Zeuge Hans H. geschilderten Erlebnisse saß dieser Verletzte bereits blutüberströmt mit zerschlagener Brille an einen Laternenpfahl gelehnt an der Annaberger Straße. Bedrohliche Szenarien gab es zuhauf, zeitweise so bedrohlich, dass die Polizei mit Wasserwerfern anrückte.

Neonazi-Kopf wollte weibliches Opfer erst schlagen, dann küssen

„Ich habe mitgekriegt, wie Hans und Markus angegriffen wurden. Ich stand unter Schock und hab gefragt, warum macht ihr das?“, berichtete Maria H. (25), eine Begleiterin von Hans H., die ebenfalls als Zeugin aussagte. Einer aus der Gruppe der Angreifer habe gerufen: „Ihr seid schuld, dass Deutsche abgestochen werden.“ Im Zurückweichen sei sie von einem blonden rechten Demonstranten bedrängt worden, entsann sich Maria H. „Normalerweise schlage ich keine Frauen, aber bei dir kann ich mal eine Ausnahme machen“, habe er gedroht. Nur, um sie dann anders zu bedrängen: „Soll ich dich küssen?“, habe er gefragt. „Es war schon sehr bedrohlich, doch dann hat er zu den anderen gesagt, wir müssen weiter.“

Den beschriebenen blonden Mann erkannten mehrere Zeugen auf Fotos wieder, beschrieben ihn als einen der Anführer. Das im Prozess mehrfach auf den Bildschirm geworfene Foto zeigte einen Kopf der Braunschweiger Neonazi-Szene, Lasse R. Dieser reiste nicht nur zu Chemnitzer Demos 2018. Über seinen Twitter-Account macht er, wie Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit in der Taz berichtete, auch schon mal handfeste Morddrohungen laut. An den Leiter eines örtlichen Bündnisses gegen Rechts gerichtet, drohte er nur Monate nach dem rechtsextrem motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke: „Heute Walter, morgen Janzen“. Außer dem rechten Einpeitscher in Chemnitz fiel es Zeugen indes denkbar schwer, sich an Gesichter von Angreifern zu erinnern. „Heute, fünf Jahre später“ sei schwer zu sagen, der war auf jeden Fall dabei. Solche Sätze wurden die meistwiederholten der letzten Prozesstage. Ein Prozess fünf Jahre nach dem Ereignis? Das sei für alle unbefriedigend, räumte der Staatsanwalt gegenüber der „Freien Presse“ ein.


Susanne Kiwitter

Chemnitz 2018: Schaute die Polizei bei Übergriffen am 1. September zu?

In einem Prozess am Landgericht Chemnitz geht es um eine gewalttätige rechte Gruppe, die an dem Abend durch das Reitbahnviertel zog, um linke Gegendemonstranten zu attackieren. Was Zeugen berichten.

Politisch war 2018 für Chemnitz eine Zäsur. Nach dem gewaltsamen Tod eines Deutsch-Kubaners durch mindestens einen, später verurteilten Asylbewerber am Rande des Stadtfestes, versuchen Neonazis aus ganz Deutschland, AfD, Pro Chemnitz, Pegida und deren Anhänger tagelang auf den Straßen in Chemnitz die politische Deutungshoheit für die Tat zu erlangen. All jene, die bei diesem Framing nicht mitmachten, wurden zu politischen Gegnern erklärt und in mehreren Fällen auch angegriffen. Am 1. September 2018 stehen sich etwa 11.000 Demonstranten beider Lager in der Stadt gegenüber, dazwischen eine offensichtlich überforderte Polizei.

Am Rande des Geschehens werden an diesem Tag im Reitbahnviertel elf Menschen verletzt. 27 Tatverdächtige aus der rechten Szene, darunter bundesweit bekannte Neonazis, gibt es dazu. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Zeuge fragt sich: Warum reagierte die Polizei nicht?

Ein Zeuge aus Hannover schildert, dass er und seine Freunde an der Ecke Moritz-/Annaberger Straße von geschätzt 20 Personen angegangen wurden. „Sie wirkten alkoholisiert, gewaltbereit“, erinnert sich der heute 26-Jährige. Schreiend, den Hitlergruß zeigend, seien sie auf Krawall gegen Leute, die nicht in ihr Schema passten, aus gewesen. In ihrem Fall sei eine Regenbogenfahne ausschlaggebend gewesen. Er sei angespuckt worden. Dann ließ die Gruppe wieder ab, offenbar, weil die aus Niedersachsen zur „Herz statt Hetze“-Demo Angereisten weder wegrannten noch aggressiv dagegen hielten. So schätzt es der Zeuge ein. Aber: „Das hätte auch anders ausgehen können“, ist er überzeugt. Ihnen allen sei auf der Heimfahrt mulmig gewesen. Und sie hätten sich immer wieder gefragt, wieso die Polizisten, die in Sichtweite an der Kreuzung Bahnhofstraße/Annaberger Straße standen, auf ihre Hilferufe nicht reagierten.

Seit 11. Dezember läuft am Landgericht Chemnitz die juristische Aufarbeitung. In drei Komplexe unterteilt, sollte der erste Prozess zunächst neun Angeklagte umfassen. Inzwischen sind davon nur noch drei übrig. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden legt ihnen gemeinschaftliche Jagd auf politische Gegner und Migranten sowie das Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen zur Last.

So schnell weggerannt, wie es nur ging

Auch ein Student aus Chemnitz ist als Zeuge geladen. Der 22-Jährige erinnert sich, wie er damals (noch minderjährig) mit seinem Vater und einem Bekannten von der „Herz statt Hetze“-Kundgebung kommend in der Annenstraße auf eine Gruppe gewaltbereiter Männer traf. „,Zecken‘ riefen sie und kamen von der Bahnhofstraße her schnell auf uns zu.“ Der Student erinnert sich an „Heil Hitler“-Rufe und mehrfach gezeigten Hitlergruß. Ihm sei eine Peace-Fahne aus der Hand gerissen und deren Stiel zerbrochen worden. Er und seine Begleiter seien so schnell weggerannt, wie sie nur konnten. „Wir waren wie in einem Tunnel, schnell weg“, schildert er. Deshalb könne er sich an keine Gesichter erinnern.

22 Fotos von mutmaßlichen Tätern werden den Zeugen vorgelegt. Es geht auch um die Frage, ob es einen Anführer in der Gruppe gab. Von den verbliebenen Angeklagten sind zwei aus Niedersachsen, einer aus Chemnitz. Letzterer war wohl derjenige, der die Gruppe auf Schleichwegen an Polizeisperren vorbei aus dem Zentrum über die Bahnhofstraße ins Reitbahnviertel führte. Das hatte ein vierter Angeklagter geschildert, dessen Verfahren inzwischen auf Antrag und unter der Auflage einer Geldzahlung vorläufig eingestellt wurde. Der Mann aus dem Erzgebirge lieferte einige Puzzleteile. So habe er einem an der Bahnhofstraße niedergeschlagenen Mann die Brille zurückgegeben und ihm Hilfe angeboten. Der Betroffene habe jedoch abgelehnt und ihn aufgefordert wegzugehen, weil die Polizei gleich komme.

Den eigenen Mann niedergeschlagen?

Das Opfer von damals war am zweiten Prozesstag ebenfalls als Zeuge geladen, jedoch nicht erschienen. „Freie Presse“ liegen Informationen vor, wonach es sich bei dem Mann um ein versehentliches Opfer aus den eigenen Reihen der rechten Tätergruppe handelt. Am Montag soll er bei Gericht vorgeführt werden.


Susanne Kiwitter

Prozess zu 2018 in Chemnitz: Nächster Angeklagter aus dem Verfahren raus

Videobeweise zeigen, wie aggressiv der Erzgebirger am 1. September 2018 in der ersten Reihe eines rechten Mobs Polizisten anging. Richter Jürgen Zöllner hat das Verfahren gegen den 34-Jährigen trotzdem eingestellt. Wie es dazu kam.

Es sind verstörende Bilder, die das Chemnitzer Trauma wieder aufreißen: Zwei polizeiinterne Videos, ein Stern-TV-Beitrag und ein Ausschnitt aus einer „Monitor“-Sendung dokumentieren, wie aggressiv und gewaltbereit Tausende ausländerfeindliche Demonstranten am 1. September 2018 auf der Brückenstraße in Chemnitz gegen die Polizei und damit gegen die Staatsgewalt pöbeln und permanent als „Volksverräter“ betiteln. Mit Wasserwerfern und überregional zusammengezogenen Einheiten versucht diese gegenzuhalten. Es ist der Tag, an dem die AfD mit Björn Höcke an der Spitze öffentlich den Schulterschluss mit bundesweit bekannten Neonazi-Größen aus teils verbotenen Organisationen sucht. Davon zeugen die Dokumentationen. Der von Höcke organisierte „Schweigemarsch“ findet nicht wie geplant statt und Teilnehmer der rechtsextremen Demo von Pegida und Pro Chemnitz vorm Marx-Kopf dürfen sich nicht anschließen. Die Stimmung ist aufgeheizt. Neben Polizisten werden auch Journalisten angegriffen. „Lügenpresse“ schallt es oft, dazwischen rechtsextreme Codes wie „FSN“. Andere tragen Hakenkreuz-Synonyme auf ihrem Shirt, die nächsten ihre Verehrung für Hitler als Tattoo im Genick.

Angeklagter beteuert, er sei kein Neonazi

Rico W. aus dem Erzgebirge will von all der offen zur Schau getragenen Neonazi-Gesinnung nicht wirklich was mitbekommen haben. Er sei blind und ohne Verstand mitgelaufen. „Ich gehöre nicht zu den Neonazis“, so der 34-Jährige. Er sei damals unzufrieden mit seinem Leben und der Situation im Land gewesen. Spontan hätte er sich mit seinem Nachbarn an dem Tag, an dem sich mit den Teilnehmern der Gegenveranstaltung „Herz statt Hetze“ etwa 11.000 Demonstranten in der Stadt aufhielten, zur Teilnahme bei Pro Chemnitz und AfD entschieden.

Mit seiner Aussage am zweiten Prozesstag entzog sich Rico W. der weiteren Aufarbeitung seiner mutmaßlichen Beteiligung an Übergriffen auf Teilnehmer der „Herz statt Hetze“-Gegendemo. Nachdem er offenbar brauchbare Aussagen zu anderen Beteiligten gemacht hatte und ihm, inzwischen verheiratet und Vater einer vierjährigen Tochter, eine positive Entwicklung abgenommen wird, stellte Richter Jürgen Zöllner das Verfahren auf Antrag seines Rechtsvertreters gegen Zahlung von 1000 Euro an die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt vorläufig ein. Staatsanwalt Fischer stimmte zu. Für die Nebenkläger war es ein weiterer Rückschlag.

Elf Menschen verletzt

Von neun Angeklagten in diesem Prozess sind drei übrig geblieben: Marcel W. aus Chemnitz sowie Timo B. und Mark B., beide aus Niedersachsen. Bereits vor Prozessbeginn wurden drei Verfahren abgetrennt oder eingestellt. Zu Prozessbeginn folgten weitere Absplittungen – im Fall von Steven F., weil er untergetaucht ist. Im Fall von Pierre B., weil er sich seit 8. Dezember in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung befindet. Laut Anklage sollen alle gemeinschaftlich an einem rechten Mob beteiligt gewesen sein, der nach den Demos am 1. September Jagd auf Andersdenke machte und dabei elf Personen verletzte. Der Vorwurf: Landfriedensbruch und schwere Körperverletzung. Opfervertreter monieren die Verschleppung der Verfahren zu diesem Komplex mit 27 Angeklagten, aufgeteilt in drei Prozesse. Der seit Montag laufende ist der erste.

Rico W. blieben die Aufnahmen vom 1. September 2018 in Chemnitz erspart. Als sie gezeigt wurden, hatte er den Saal des Landgerichts verlassen. Die verbliebenden Prozessbeteiligten sahen danach, wie der Erzgebirger damals Seite an Seite mit Rechtsextremen, Polizisten anschrie und anpöbelte.

Konkrete Namen genannt

Für ihre Mandanten bitter, sagen die Opferanwälte Kati Lang und Onur Özata am Rande. Aber immerhin habe er andere Namen im Zusammenhang mit den Übergriffen auf Gegendemonstranten genannt. Zu den 27 Angeklagten zählen zum Teil einschlägig Bekannte aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Bayern und Ostsachsen. Nach dem gewaltsamen Tod eines Deutsch-Kubaners am Rande des Stadtfestes 2018 mobilisierten rechte Gruppen bundesweit zu ausländerfeindlichen Protesten in Chemnitz.


Susanne Kiwitter

Chemnitz 2018: Juristische Aufarbeitung wirft Fragen auf

Über fünf Jahre mussten Geschädigte eines mutmaßlich rechten Mobs, der am 1. September 2018 offenbar gezielt Jagd auf politische Gegner gemacht hat, auf einen ersten Prozess warten. Der Auftakt wirkte auf Beobachter unprofessionell.

Der Beginn der Verhandlung war auf 9 Uhr am Montag angesetzt, als die Vernehmung der ersten Zeugin begann, war es 13 Uhr. Sie sollte unter anderem den Weg skizzieren, den die mutmaßlichen Täter am Tattag zu den Tatorten genommen hatten. Vier Angeklagte mit je einem Vertreter auf der einen Seite, Staatsanwalt und drei Nebenkläger-Vertreter auf der anderen. Der Vorsitzende Richter Jürgen Zöllner ließ die Zeugin nach vorn kommen, damit sie auf einem A4-großen Kartenausschnitt Klarheit schafft. Es bildete sich eine Traube um sie. Wieso man hier nicht eine Wandprojektion hinbekomme, monierte einer der Angeklagten-Vertreter. Ein guter Hinweis, konterte Zöllner, den er umgehend an das zuständige Staatsministerium weiterleiten werde.

Mehr als 240 Ermittlungsverfahren nach rechten Ausschreitungen 2018

Die fehlende Technik im Gerichtssaal ist eine vergleichsweise kleine Schwachstelle bei der Aufarbeitung der Gewalttätigkeiten in Chemnitz am 1. September 2018, aber nicht unerheblich. Am Ende blieb vorerst unklar, welchen Weg die Täter gingen. Bei der Zeugin handelte sich um jene Ermittlerin, die offenbar weitestgehend als Einzige den Fall während zwei Jahren bearbeitete. Zur Erinnerung: Am Rande des Stadtfestes 2018 wurde der Deutsch-Kubaner Daniel H. von zwei Männern erstochen. Einen der Tatverdächtigen, einen Asylbewerber aus Syrien, verurteilte das Landgericht zu einer langen Haftstrafe, der andere ist untergetaucht. Nach der Tat mobilisierten rechte Gruppen bundesweit und organisierten mehrere Proteste in Chemnitz, an deren Rande es zu gewaltsamen Ausschreitungen und Übergriffen auf Migranten und politische Gegner kam. Die Ausschreitungen zogen mehr als 240 Ermittlungsverfahren mit 235 Tatverdächtigen nach sich. Es ging um Volksverhetzung, Beleidigung, Widerstand und Angriff auf Polizisten, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Auch am 1. September 2018 kam es am Rande einer von AfD und Pro Chemnitz bundesweit beworbenen asylfeindlichen Kundgebung in Chemnitz zu Übergriffen auf politische Gegner. Dabei wurden elf Menschen durch Schläge und Tritte verletzt, die auf einer Gegen-Kundgebung waren. Laut Anklage wurde aus Gruppen heraus gezielt Jagd auf die Opfer gemacht.

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Dresden 2020 die Ermittlungen zu den damals schon zwei Jahre zurückliegenden Vorfällen von den Chemnitzer Kollegen übernommen hatte, wurde 2021 gegen insgesamt 27 Beschuldigte, darunter bundesweit bekannte Neonazis, Anklage erhoben. Der Vorwurf: Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.

Diese Woche begann der erste von drei Prozessen dazu. Von ursprünglich neun Angeklagten sind vier übrig geblieben. Untergetaucht und in die Psychiatrie eingewiesen, lauten zwei Gründe, warum einzelne Verfahren abgetrennt, in einem Fall ganz eingestellt wurden. Angeklagten-Vertreter wollten deshalb den gesamten Prozess aussetzen. Der Vorsitzende Richter lehnte diesen Antrag ab.

Aussage der ersten Zeugin wirft Fragen zu Ermittlungen auf

Von einer „katastrophalen juristischen Aufarbeitung“ sprachen Opfervertreter vor Prozessbeginn. Der Eindruck bleibt. Die Befragung der bei den Ermittlungen alleingelassenen Zeugin bestätigte den Vorwurf der Versäumnisse dabei. Obwohl sich die Gruppe der mutmaßlichen Täter aus bundesweit angereisten, zum Teil bekannten Neonazis zusammensetzte, wurde offenbar weder zu deren politischen Aktivitäten und Parteimitgliedschaften recherchiert, noch Durchsuchungen der Handys vorgenommen. Dabei hatten laut Zeugin Dortmunder Kollegen einschlägig Bekannte in TV-Aufnahmen aus Chemnitz erkannt und aktiv Kontakt aufgenommen. „Das bisherige, doch sehr nachgiebige und verzögernde Agieren der Justiz sendet das falsche Signal“, sagt Rechtsanwältin Kati Lang als Vertreterin der Nebenklage und betont: „Die Betroffenen haben ein Recht auf staatlichen Schutz und Verfolgung dieser Gewalttaten.“ Ihr Mandant hoffe, dass wenigstens die nun auf der Anklagebank sitzenden Tatverdächtigen noch verurteilt werden.


Susanne Kiwitter –

Nach Angriffen bei Chemnitzer Demos 2018: Vier mutmaßliche Täter vor Gericht

Sie sollen gezielt Jagd auf politische Gegner gemacht und elf davon verletzt haben. Der erste Prozesstag zeigt: Die Aufarbeitung ist nach mehr als fünf Jahren aus verschiedenen Gründen schwierig.

Als erste Zeugin trat eine Ermittlerin auf. Heute arbeitet die 44-Jährige als Kriminalhauptkommissarin in Dresden. Bis November 2020 hatte sie die Akte 1. September 2018 in Chemnitz auf dem Tisch – weitestgehend allein, nachdem eine Ermittlergruppe offenbar relativ schnell wieder aufgelöst worden war.

Seit Montag wird vor dem Landgericht Chemnitz vier Männern der Prozess gemacht, die am Abend des 1. September 2018 in Chemnitz gezielt Jagd auf politische Gegner gemacht haben sollen. An diesem Tag hatten AfD und Pro Chemnitz nach dem Tod von Daniel H. am 26. August bundesweit zu ausländerfeindlichen Demonstrationen nach Chemnitz mobilisiert. Von den Angeklagten im Alter von 26 bis 44 Jahren kommen zwei aus Niedersachsen, einer aus Chemnitz und der vierte aus dem Erzgebirge. Die Anklage lautet auf Landfriedensbruch und Körperverletzung in elf Fällen.

Insgesamt elf Personen verletzt

Parallel zu der als „Schweigemarsch“ deklarierten rechten Kundgebung hatten sich mehrere Tausend Menschen zu einer Gegenkundgebung „Herz statt Hetze“ auf dem damaligen Parkplatz vor der Johanniskirche versammelt.

Die Vorfälle, die verhandelt werden, ereigneten sich, als Teilnehmer von dort auf dem Nachhauseweg waren. Offenbar war es den Angreifern gelungen, mehrere Polizeiposten an der Bahnhofstraße, die die Lager trennen sollten, zu umgehen. Dabei wurden laut Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Dresden an mehreren Tatorten am Rand der Innenstadt elf Personen verletzt und verfassungsfeindliche Parolen skandiert. Ziel sei es gewesen, Gegner einzuschüchtern, so Staatsanwalt Fischer. Mehrfach seien Gegner eingekreist und ihnen mit Fäusten ins Gesicht geschlagen worden. Die Angreifer sollen unter anderem „Adolf Hitler unser Führer“ und „Scheiß Zecken“ gerufen haben. Einen Mann, den sie als Migrant identifizierten, sollen sie mit den Rufen „Den machen wir kalt“ verfolgt haben.

Laut Anklage waren bei den Angriffen 15 bis 30 Personen involviert. Die Tatorte liegen im Reitbahnviertel bis zum OdF-Park an der Zschopauer Straße. Unter den Angegriffenen war auch eine Gruppe von SPD-/Juso-Anhängern aus Marburg, die sich auf dem Rückweg zu ihrem Reisebus befand. Der am Montag unter hohen Sicherheitsauflagen begonnene Prozess ist der erste von drei am Landgericht Chemnitz anhängigen Verfahren zu jenen Angriffen am 1. September 2018. Von den im ersten Verfahren eigentlich sechs Angeklagten befindet sich einer nach Angaben seines Anwalts in einer Psychiatrie, ein anderer ist vor Verbüßen einer anderen Haftstrafe untergetaucht. Opfervertreter hatten zuvor die sächsische Justiz wegen der langen Verfahrensdauer scharf kritisiert und ihr vorgeworfen, die Betroffenen im Stich zu lassen. Im aktuellen Verfahren treten fünf Nebenkläger auf. Bei der Befragung der Ermittlerin durch deren Rechtsvertreter deutete sich an, dass die Ermittlungen weniger tiefgreifend waren, als von der Seite gewünscht. So seien bei den Angeklagten trotz politischem Tathintergrund offenbar weder Handys durchsucht noch Parteizugehörigkeiten geprüft worden.


Benjamin Lummer

Angriff bei Chemnitzer Demos 2018: 27 Beschuldigte bis heute nicht vor Gericht

Nach dem Tötungsdelikt am Rande des Stadtfestes 2018 kam es in der Stadt wochenlang zu Demonstrationen und Kundgebungen. Ein junger Chemnitzer und seine Begleiter wurden damals von mutmaßlich rechten Tätern attackiert. Bis heute hat es kein Verfahren dazu gegeben. Warum nicht? „Freie Presse“ hat mit den Opfern, Behörden und Justizvertretern gesprochen.

Der Herbst 2018 ist bis heute eine offene Wunde. Für die Stadt Chemnitz, die sich noch immer mit dem Geschehen auseinandersetzt und versucht, Lehren daraus zu ziehen. Aber auch für einige Opfer von Angriffen, die noch immer darauf warten, dass ihre Fälle juristisch aufgearbeitet werden. So wie der heute 27-jährige Kai Schmidt* aus Chemnitz. Er und zwei Begleiter wurden damals von mutmaßlich rechten Tätern angegriffen. Bis heute hat es dazu keinen Prozess gegeben.

Rückblick: Am Rande des Stadtfestes Ende August 2018 wurde der Deutsch-Kubaner Daniel H. von zwei Männern erstochen. Einen der beiden Tatverdächtigen, ein Asylbewerber aus Syrien, verurteilte das Landgericht später zu einer langen Haftstrafe, der andere ist bis heute nicht gefasst. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Tat begannen bundesweit rechte Gruppen zu mobilisieren. In den folgenden Tagen und Wochen fanden mehrere von ihnen organisierte Kundgebungen und Proteste in Chemnitz statt, an deren Rande es zu gewaltsamen Ausschreitungen und Übergriffen auf Migranten kam.

In einigen Fällen reagierte die Justiz schnell: Nur zwölf Tage nach seiner Tat wurde ein junger Mann zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hatte nach Überzeugung des Amtsgerichts am Ende mehrerer sich letztlich vereinender Kundgebungen von AfD, Pegida und Pro Chemnitz den Hitlergruß gezeigt. Es war eines von mehreren Schnellverfahren in jenen Wochen. Sie kommen eher selten zur Anwendung, vor allem bei sogenannten minder schweren Delikten und klarer Beweislage.

Angriff geschah nach „Herz statt Hetze“- Veranstaltung

Alles andere als schnell ging es im Fall von Kai Schmidt. Der Chemnitzer nahm am 1. September 2018 an der Kundgebung „Herz statt Hetze“ auf dem damals noch existierenden Parkplatz an der Johanniskirche teil. Zu der Veranstaltung mit allerlei Prominenz aus der Bundespolitik hatte ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure, demokratischer Parteien, Vereine, Unternehmen und Gewerkschaften aufgerufen. Parallel hatten die AfD und Pro Chemnitz zu Kundgebungen an anderen Orten im Zentrum geladen, die später zusammengeführt wurden.

Schmidt, seine Schwester und ein Freund blieben bis zum Schluss auf der „Herz statt Hetze“- Veranstaltung und machten sich dann auf den Heimweg, trugen dabei ein Schild mit der Aufschrift „Chemnitz ist weder grau noch braun“. Am Moritzhof trafen sie auf eine Gruppe dunkel gekleideter junger Leute. Aus der heraus wurden sie unvermittelt angegriffen. Schmidt wurde mehrmals im Gesicht getroffen, konnte dann aber wegrennen. Einer seiner Begleiter wurde eingekesselt und mehrfach geschlagen, seine Schwester eingekesselt und bedroht. Schmidt rannte zur Reitbahnstraße, wo er eine Polizeistreife antraf. Die Beamten begleiteten ihn zurück zum Ort des Überfalls, trafen die Schläger aber nicht mehr an. Schmidt und einer seiner Begleiter trugen Hämatome davon, ins Krankenhaus musste keiner. „Wir sind noch glimpflich davongekommen“, sagt er heute. Sie wurden mit aufs Revier genommen und befragt, die Polizei leitete Ermittlungen ein.

Die Polizei bestätigte die Angriffe erst Wochen danach auf Anfrage von „Freie Presse“. Etwa 30 Personen hätten insgesamt zehn Frauen und Männer attackiert, hieß es damals, Mitte Oktober 2018. Die Angreifer seien vermutlich dem rechten Spektrum zuzuordnen, die Opfer dem linken.

Schmidt hörte nach der Tat lange Zeit nichts von den Beamten, erst ein Jahr später wurde er erneut zu einer Zeugenvernehmung vorgeladen. „Wirklich ungewöhnlich“, nennt diese späte Befragung Anna Schramm von der Opferberatung. An das Projekt des Vereins Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA Sachsen) hatten sich Schmidt und seine Begleiter gewandt, um Hilfe zu bekommen. Allein sahen sie sich nicht in der Lage, ihr Recht einzufordern.

Opfer müssen um Prozesskostenbeihilfe kämpfen

Nach drei Jahren konstatiert Opferberaterin Schramm, dass ihren Klienten viele Hindernisse in den Weg gelegt wurden. So sei beispielsweise die Beantragung von Prozesskostenbeihilfe „ein Kampf“ gewesen. Schmidt und die beiden anderen Geschädigten wollen in einer möglichen Gerichtsverhandlung als Nebenkläger auftreten. Zwei von ihnen studieren, der Dritte hat einen Job. Die anwaltlichen Kosten – Schramm rechnet mit etwa 1000 Euro pro Verhandlungstag – können sie nicht aufbringen, sagt Schmidt. Unter Umständen steht ihnen finanzielle Hilfe vom Staat zu, die ein Gericht (in diesem Fall Amts- und Landgericht in Dresden) bewilligen muss. Bislang genehmigt wurde die nur für Kai Schmidt, für die anderen beiden wurde sie abgelehnt. Begründung: Sie könnten sich selbst vertreten und die Kosten selbst tragen. „Das Gericht macht es einem sehr schwer, eine richtige Nebenklage auf die Beine zu stellen“, meint Anna Schramm. Die Opferberatung hat deswegen nun ein Spendenaufruf für sie gestartet; rund 2500 Euro sind bislang zusammengekommen.

Staatsanwaltschaften in Chemnitz und Dresden haben gegen hunderte Beschuldigte aus dem Umfeld rechtsgerichteter Demonstrationen in Chemnitz im Herbst 2018 (vom 26. August bis zum 14. Dezember 2018) Verfahren geführt, unter anderem wegen Beleidigung, Körperverletzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Das geht aus einer Antwort des sächsischen Justizministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel hervor. Etwa jedes siebte dieser Verfahren endete mit einer Geldstrafe, ein Dutzend mit Haftstrafen (zum Teil zur Bewährung ausgesetzt). Der Großteil wurde eingestellt, meist, weil kein Täter oder keine Täterin ermittelt werden konnte. Oder weil die Taten nicht nachweisbar waren. Mittlerweile sind fast alle Verfahren abgeschlossen.

Zu den Angeklagten gehören Dortmunder Neonazis

Das gegen diejenigen, die Kai Schmidt, seine Schwester und einen Freund damals angriffen, läuft dagegen immer noch, mehr als vier Jahre nach der Tat. „Es wurde zu langsam ermittelt“, meint Kati Lang. Die Dresdner Anwältin vertritt Kai Schmidt. Sie kritisiert unter anderem, dass erst zwei Jahre nach der Tat, im Juni 2020, die personell besser aufgestellte Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen übernommen hat. Bis dahin lagen sie bei Polizei und Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Immerhin: Mit der Übernahme durch die Generalstaatsanwaltschaft kam etwas Bewegung in den Fall. Vor einem Jahr wurden die Ermittlungen abgeschlossen und gegen insgesamt 27 Beschuldigte Anklage wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung erhoben, teilt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden auf Anfrage mit. „Freie Presse“ liegen die Namen einiger der Angeklagten vor. Darunter befinden sich mindestens drei Neonazis aus Dortmund. „Die Dauer des Ermittlungsverfahrens war einerseits dem Umfang der Ermittlungen und andererseits auch der Vielzahl an Beschuldigten geschuldet“, sagt die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Sabine Wylegalla.

Seit einem Jahr liegen die Fälle nun aber beim Landgericht Chemnitz, aufgeteilt in drei Verfahren (darunter ein Jugendverfahren) mit jeweils neun Angeklagten. Verhandlungstermine gibt es bislang nicht. Gerichtssprecherin Marika Lang erklärt dazu, es müssten Termine gefunden, an denen alle Angeklagten und ihre Verteidiger Zeit haben. Außerdem werde für ein solches Verfahren wegen der großen Anzahl der Angeklagten der größte Saal des Gerichts gebraucht, der aber langfristig geblockt sei für Verhandlungen mit schwereren Tatbeständen.

Kati Lang, die Anwältin von Kai Schmidt, lässt dieses Argument nicht gelten: Das Gericht könne andere Räume anmieten oder in die Räume des Oberlandesgerichts Dresden ausweichen, das sei schon öfters geschehen, sagt die Dresdnerin. Ja, die Justiz in Sachsen sei überlastet und ja, Corona habe viele Verfahren verlangsamt, räumt Kati Lang ein. Eine Verfahrensdauer von mehr als vier Jahren sei aber nicht akzeptabel. Sie verweist darauf, dass die Verfahrensdauer beim zu fällenden Urteil zugunsten der Angeklagten berücksichtigt werden müsse. „Die lange Dauer spielt den Tätern in die Hände.“

Kai Schmidt wartet nun auf einen Verhandlungstermin, mehr als vier Jahre, nachdem er angegriffen wurde „Das macht einen wütend und lässt abstumpfen“, sagt der 27-Jährige und ergänzt: „Man hat das Gefühl, dass uns die Justiz nicht will. Und das ist ein fatales Zeichen für alle, die sich engagieren.“

*Name von der Redaktion geändert.